Papier (von lateinisch papyrus, aus altgriechisch πάπυρος pápyros ‚Papyrusstaude‘) ist ein flächiger Werkstoff, der im Wesentlichen aus Fasern pflanzlicher Herkunft besteht und durch Entwässerung einer Fasersuspension auf einem Sieb gebildet wird. Das entstehende Faservlies wird verdichtet und getrocknet. Papier wird aus Faserstoffen hergestellt, die heute vor allem aus dem Rohstoff Holz gewonnen werden. Die wichtigsten Faserstoffe sind Zellstoff, Holzstoffe und Altpapierstoff. Das durch Papierrecycling wiederverwertete Altpapier ist mittlerweile die wichtigste Rohstoffquelle in Europa. Außer dem Faserstoff oder einer Faserstoffmischung enthält Papier auch Füllstoffe und weitere Zusatzstoffe.
Es gibt rund 3000 Papiersorten, die nach ihrem Einsatzzweck in vier Hauptgruppen eingeteilt werden können: Grafisches Papier (Druck- und Schreibpapier), Verpackungspapier und -karton, Hygienepapier (z. B. Toilettenpapier, Papiertaschentücher) sowie die vielfältigen technischen Papiere und Spezialpapiere (z. B. Filterpapier, Zigarettenpapier, Banknotenpapier).
Abgrenzung
Papier, Karton und Pappe werden unter anderem anhand der flächenbezogenen Masse unterschieden. DIN 6730 vermeidet den Begriff Karton und unterscheidet allein Papier und Pappe, und zwar anhand des Grenzwerts 225 g/m² (Massenbelegung). Umgangssprachlich ist Karton jedoch eine übliche Bezeichnung für ein Material im Bereich 150 g/m² bis 600 g/m², das typischerweise dicker und steifer ist als Papier.
Geschichte
Frühe Schriftträger
Höhlenzeichnungen sind die ältesten Dokumente, die der Mensch mit Pigmentfarbe auf einen Untergrund gezeichnet hat. Die Sumerer, als Träger der ältesten bekannten Hochkultur, schrieben seit etwa 3200 v. Chr. mit Keilschrift auf weiche Tontafeln, die zum Teil durch Zufälle gebrannt, überliefert sind. Aus Ägypten sind Schriftträger aus anorganischen Materialien bekannt, beispielsweise die Narmer-Palette – eine Prunkpalette des Königs Narmer (3100 v. Chr.) aus Schiefer.
Papierähnlichere sind aus Papyrus gefertigt. Dieses Papyrus(papier) besteht aus den flach geschlagenen, über Kreuz gelegten und gepressten Stängeln der am gesamten unteren Nil in ruhigen Uferzonen wachsenden Schilfpflanzen (echter Papyrus), die dünnen, gepressten Schichten werden dann zusammengeklebt (laminiert). Geschrieben wurde darauf mit schwarzer und roter Farbe. Die schwarze Tusche bestand aus Ruß und einer Lösung von Gummi arabicum, die rote Farbe wurde auf Ocker-Basis hergestellt. Das Schreibgerät war ein Pinsel aus Binsen. Papyrus wurde im Alten Ägypten seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. als Schreibmaterial benutzt. Zwar gab es Papyrus im antiken Griechenland, jedoch war eine Verbreitung über Griechenland hinaus kaum bekannt. Im 3. Jahrhundert v. Chr. ersetzten die Griechen den Pinsel durch eine gespaltene Rohrfeder.
Im Römischen Reich wurden sowohl Papyrus als auch Wachstafeln benutzt. In die Letzteren wurde der Text mittels angespitzter Griffel geritzt. Nach dem Auslesen wurde das Wachs mit einem Schaber geglättet und die Tafel konnte erneut beschrieben werden. Öffentliche Verlautbarungen wurden meist als dauerhafte Inschrift (Steintafeln oder Metallplatten) an Tempeln oder Verwaltungsgebäuden angebracht. Die Römer bezeichneten Papyrus-Rindenbast mit lateinisch liber, aus dem sich später die Bezeichnung „Library“ (Bibliothek) entwickelte.
In China wurden Tafeln aus Knochen, Muscheln, Elfenbein und Schildkrötenpanzer benutzt. Später bestanden Schrifttafeln aus Bronze, Eisen, Gold, Silber, Zinn, Jade, Steinplatten und Ton oder häufig aus organischem Material, wie Holz-, Bambusstreifen und Seide. Pflanzenblätter und Tierhäute wurden noch nicht als Schriftträger benutzt. Orakelknochen wurden mit Griffeln geritzt oder mit Tinte mit Lampenruß oder Zinnober als Pigment beschriftet.
In Indien und Ceylon wurden die Blätter der Talipot-Palme etwa seit 500 v. Chr. benutzt (Palmblattmanuskripte), sowie Birkenrinde, Holzblöcke, -tafel und Baumwolllappen, außerdem Steintafeln, -blöcke.
In den Hochkulturen des Alten Orients und des Mittelmeerraumes wurde von alters her Leder als Beschreibstoff verwendet. Wie Leder wird Pergament aus Tierhäuten hergestellt. Durch die Vorteile des Pergaments wurden im mittelalterlichen Europa andere Beschreibstoffe verdrängt. Die Tierhäute werden mit Pottasche oder Kalk gebeizt, gründlich gereinigt und aufgespannt getrocknet, es folgte das Schaben und die Oberflächenbearbeitung.
In der neuen Welt wurde Huun, Amatl, ein papierähnlicher Beschreibstoff, bereits vor dem 5. Jahrhundert von den Maya hergestellt. Allerdings ist dieses Material, der Herstellungsart nach, eher dem Papyrus verwandt, denn es wird aus kreuzweise verpressten Baststrängen, nicht aber aus aufgeschlossenen Einzelfasern erzeugt. Der für die Papierdefinition essenziell wichtige Entwässerungsvorgang erfolgt weder auf einem Sieb noch durch mechanischen Wasserentzug. Insofern wäre es falsch, von einer Erfindung des Papieres in Amerika zu sprechen. Die tatsächliche und unabhängige Urherstellung von Papier lässt sich nur für Asien und Europa nachweisen.
Erfindung des Papiers
Obwohl es Funde aus China gibt, die auf etwa 140 v. Chr. datiert werden können und obwohl Xu Shen bereits um 100 n. Chr. die Herstellung von Papier aus Seidenabfällen beschrieb, wird die Erfindung des Papiers offiziell Ts'ai Lun zugeschrieben, der um 105 n. Chr. (Belegdatum der ersten Erwähnung der chinesischen Papierherstellungsmethode) ein Beamter der Behörde für Fertigung von Instrumenten und Waffen am chinesischen Kaiserhof war und erstmals das bekannte Verfahren, Papier herzustellen, beschrieb. Zu seiner Zeit gab es einen papierartigen Beschreibstoff, der aus Seidenabfällen hergestellt wurde (Chi). Diesen mischten die frühen Papiermacher vornehmlich mit Hanf, alten Lumpen und Fischernetzen und ergänzten das Material mit Baumrinde oder Bast des Maulbeerbaumes. Die chinesische Erfindung bestand vor allem in der neuartigen Zubereitung: Die gesäuberten Fasern und Fasernreste wurden zerstampft, gekocht und gewässert. Anschließend wurden einzelne Lagen mit einem Sieb abgeschöpft, getrocknet, gepresst und geglättet. Beim Schöpfen entstand an dem Papier eine „Schönseite“, die an der dem Sieb abgewandten Seite lag, und eine „Siebseite“, die an dem Sieb lag. Der entstehende Brei aus Pflanzenfasern lagerte sich als Vlies ab und war ein relativ homogenes Papierblatt. Diese Technik wurde vermutlich in Korea in einer eigenständigen Form seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. angewandt. Ein Autor schrieb 2005, sie feiere seit vielen Jahren unter dem Namen Hanji (한지) eine Renaissance.
Ernte des Rohmaterials
Kochen der Fasern
Trocknung an der Sonne
Kochen der Fasern
Auspressen des Wassers
Da Bast ein Material ist, das im Vergleich zu dem verwendeten Holz längere Fasern und dadurch eine hohe zeitliche Haltbarkeit hat, war das Papier von Ts’ai Lun nicht nur zum Schreiben verwendbar, sondern auch für Raumdekorationen etwa in Form von Tapeten sowie Kleidungsstücken. Die Verwendung von Maulbeerbast lag nahe, da der Seidenspinner sich von den Blättern des Maulbeerbaums ernährte und somit dieses Material ein ohnehin vorhandenes Nebenprodukt aus der Seidenproduktion war. Wie alt die Verwendung von Bast ist, belegt die Gletschermumie Ötzi (ca. 3300 v. Chr.), der Kleidungsstücke aus Lindenbast trägt.
Ostasien
Bereits im 2. Jahrhundert gab es in China Papiertaschentücher, im 3. Jahrhundert wurden Leimstoffe (Stärke) hinzugefügt, daraus resultierte die Erfindung der Leimung (dünner Überzug, um Papier glatter und weniger saugfähig zu machen; die Tinte oder Tusche verläuft weniger stark), sowie die Färbung von Papier. Möglicherweise wurde schon die erste Zeitung (Dibao) herausgegeben. Im 6. Jahrhundert wurde Toilettenpapier aus billigstem Reisstrohpapier hergestellt. Alleine in Peking wurden jährlich zehn Millionen Päckchen mit 1000 bis 10.000 Blatt produziert. Die Abfälle an Stroh und Kalk bildeten bald große Hügel, „Elefanten-Gebirge“ genannt. Für Zwecke des chinesischen Kaiserhofes stellte die kaiserliche Werkstatt 720.000 Blatt Toilettenpapier her. Für die kaiserliche Familie waren es noch einmal 15.000 Blatt hellgelbes, weiches und parfümiertes Papier.
Bekannt ist, dass um das Jahr 300 die Thais die Technik des schwimmenden Siebs zur Papierherstellung verwendeten. Das Bodengitter des Siebes war fest mit dem Rahmen verbunden. Jedes geschöpfte Blatt musste im Sieb trocknen und konnte erst dann herausgenommen werden. Entsprechend viele Siebe waren nötig.
Um das Jahr 600 gelangte die weiter entwickelte Technik des Schöpfens mit dem Schöpfsieb nach Korea und wurde um 625 in Japan verwendet. Das frisch geschöpfte Blatt kann feucht entnommen und zum Trocknen ausgelegt werden. Diese Technik wird noch bei handgeschöpftem Papier verwendet. Daraus ergibt sich, dass das Schöpfsieb in der Zeit zwischen 300 und 600 erfunden wurde.
In Japan wurde die Technik verbessert, indem der Faserbrei mit Pflanzenschleimen z. B. von Abelmoschus manihot aufgewertet wurde. Die Fasern waren gleichmäßiger verteilt, es traten keine Klümpchen auf. Dieses Papier wird als Japanpapier bezeichnet. Die Amtsrobe der japanischen Shintō-Priester, die auf die Adelstracht der Heian-Zeit zurückgeht, besteht aus weißem Papier (Washi), das vorwiegend aus Maulbeerbaum-Bast besteht.
In der Tang-Dynastie wurde die Papierherstellung weiter stark verbessert, es wurde gewachst (Chinawachs, Bienenwachs), gestrichen, gefärbt und kalandriert. Um den steigenden Papierbedarf unter den Tang zu decken, wurden die Bambusfasern zur Papierproduktion eingeführt.
Der chinesische Kaiser Gaozong (650 bis 683) ließ erstmals Papiergeld ausgeben. Auslöser war ein Mangel an Kupfer für die Münzprägung. Seit dem 10. Jahrhundert hatten sich Banknoten in der Song-Dynastie durchgesetzt. Ab etwa 1300 waren sie in Japan, Persien und Indien im Umlauf und ab 1396 in Vietnam unter Kaiser Tran Thuan Tong (1388–1398). Im Jahr 1298 berichtete Marco Polo in seiner Reisebeschreibung (Il Milione) über die starke Verbreitung des Papiergeldes in China, wo es zu dieser Zeit eine Inflation gab, die den Wert auf etwa ein Prozent des ursprünglichen Wertes fallen ließ. Im Jahr 1425 wurde das Papiergeld allerdings wieder abgeschafft, um die Inflation zu beenden. Um das Inumlaufbringen von Falschgeld zu erschweren, wurde Papiergeld zeitweise aus einem Spezialpapier gefertigt, das Zusätze an Seidenfasern, Insektiziden und Farbstoffen enthielt.
Arabische Welt
Wann genau das erste Papier in der arabischen Welt produziert wurde, ist umstritten. So wird als Datum 750 oder 751 genannt, als vermutlich bei einem Grenzstreit gefangengenommene Chinesen die Technik der Papierherstellung nach Samarkand gebracht haben sollen. Andererseits gibt es Erkenntnisse, die zu der Annahme führen, dass in Samarkand bereits 100 Jahre früher Papier bekannt war und auch hergestellt wurde. Als Papierrohstoff wurden Flachs und Hanf (Hanfpapier) sowie Bast des Maulberbaums benutzt. Im 9. Jahrhundert wurde dieser Zweig zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Stadt Samarkand. Allmählich eroberte das besonders dünne und glatte samarkandische Papier die Märkte in der gesamten orientalischen Welt. Es war leichter zu beschreiben und für die arabische Schrift weit besser geeignet als ägyptisches Papyrus und durch die Massenproduktion mit Hilfe von bis zu 400 wassergetriebenen Papiermühlen am Fluss Siyob viel billiger als das in Europa verwendete Pergament. Bis ins 10. Jahrhundert wurde der größte Teil der arabischen Literatur auf Papier aus Samarkand geschrieben.
In Bagdad wurde um 795 die Papierherstellung aufgenommen, 870 erschien dort der erste Papiercodex. Papiergeschäfte waren wissenschaftliche und literarische Zentren, die von Lehrern und Schriftstellern betrieben wurden. Das Haus der Weisheit entstand nicht zufällig zu dieser Zeit in Bagdad. In den Kanzleien des Kalifen Hārūn ar-Raschīd wurde auf Papier geschrieben. Es folgten Papierwerkstätten in Damaskus, Kairo, in nordafrikanischen Provinzen bis in den Westen. Die Araber entwickelten die Herstellungstechnik weiter, durch die Einführung der Oberflächenleimung. Man mischte Lumpen und Stricke, diese wurden zerfasert und gekämmt, dann in Kalkwasser eingeweicht, dann zerstampft und gebleicht. Diese Pulpe schmierte man an eine Wand zum Trocknen. Anschließend wurde sie mit einer Stärkemischung glattgerieben und in Reiswasser getaucht um die Poren zu schließen. Genormte Flächenmaße wurden eingeführt, 500 Bogen waren ein Bündel (rizma), worauf der noch in der Papierwirtschaft übliche Begriff Ries zurückgeht. Vom 8. bis zum 13. Jahrhundert dauerte die hohe Blütezeit des islamischen Reiches. Als Kulturzentrum zog Bagdad Künstler, Philosophen und Wissenschaftler, insbesondere Christen und Juden aus Syrien, an.
Indien
In Indien wurde das Papier ab dem 13. Jahrhundert unter islamischem Einfluss eingeführt und begann in Nordindien das bis dahin vorherrschende Palmblatt als Schreibmaterial abzulösen. Die indischen Papiermanuskripte sind aber durch das Vorbild der Palmblattmanuskripte beeinflusst. So wurde das Querformat (das bei Palmblattmanuskripten durch die natürlichen Dimensionen der Palmblätter vorgegeben ist) beibehalten. An die Stelle der Löcher für den Bindfaden, der bei Palmblattmanuskripten die einzelnen Blätter zusammenhält, traten bei den Papiermanuskripten rein ornamentale Kreise. Im westlichen Nordindien ersetzte Papier das Palmblatt bis zum 15. Jahrhundert komplett. In Ostindien blieb das Palmblatt bis ins 17. Jahrhundert in Gebrauch. In Südindien konnte sich Papier dagegen nicht durchsetzen. Hier blieb das Palmblatt bis zum Aufkommen des Buchdrucks im 19. Jahrhundert das bevorzugte Schreibmaterial.
Europa
Über den Kulturkontakt zwischen dem christlichen Abendland und dem arabischen Orient sowie dem islamischen Spanien gelangte das Schreibmaterial seit dem 11. Jahrhundert nach Europa. Ein bedeutender Teil der Ausgangsmaterialien für die frühe europäische Papiererzeugung bestand aus Hanffasern, Flachsfasern (Leinen) und Nesseltuch, die Papiermühlen kauften die erforderlichen Hadern von den für sie arbeitenden Lumpensammlern. In Xàtiva bei Valencia gab es nach einem Reisebericht von Al-Idrisi bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts eine blühende Papierwirtschaft, die auch in die Nachbarländer hochwertige Produkte exportierte. Nach der Vertreibung der Araber aus Spanien blieb das Gebiet um Valencia bedeutend für die Papierwirtschaft, weil dort viel Flachs (Leinen) angebaut wurde, der ein hervorragender Rohstoff für die Papierherstellung ist.
Das sogenannte Missale von Silos ist das älteste erhaltene christliche Buch aus handgeschöpftem Papier. Es stammt aus dem Jahr 1151 und wird in der Bibliothek des Klosters Santo Domingo de Silos in der Provinz Burgos (Spanien) aufbewahrt.
Die maschinelle Massenproduktion von Papier begann im mittelalterlichen Europa; europäischen Papiermachern gelang es in kurzer Zeit, den Arbeitsprozess durch die Einführung zahlreicher – den Chinesen und Arabern unbekannter – Innovationen zu optimieren: Der Betrieb wassergetriebener Papiermühlen mechanisierte den bis dahin nur in Handarbeit oder mit Tieren im Kollergang praktizierten Zerkleinerungsvorgang. Derartige Wassermühlen, eisenbewehrte Lumpen-Stampfwerke, sind erstmals ab 1282 bezeugt.Das Reißen der Lumpen mit einem Sensenblatt löste die umständliche Praxis des Reißens von Hand oder Schneidens mit Messer oder Schere ab. Papierpressen, konstruiert in Anlehnung an antike Kelter, trockneten das Papier durch Schraubpressdruck.
Ebenfalls völlig neu war die Konstruktion des Schöpfsiebs, bei dem ein Metallgeflecht an die Stelle der älteren Bambus- oder Schilfsiebe trat. Das starre Schöpfsieb aus Metalldraht war die technische Voraussetzung für das Anbringen des zur Kennzeichnung dienenden Wasserzeichens, einer italienischen Erfindung. Die Verfeinerung der Papierqualität zu erschwinglichen Preisen trug kurze Zeit später wesentlich zum Erfolg des von Johannes Gutenberg erfundenen modernen Buchdrucks bei.
Mit der Ausbreitung der Schriftlichkeit in immer weitere Bereiche der Kultur (Wirtschaft, Recht, Verwaltung und Weitere) trat das Papier gegenüber Pergament seit dem 14. Jahrhundert seinen Siegeszug an. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts begann mit dem Buchdruck auf dem billigeren Papier, das Pergament als Beschreibstoff in den Hintergrund zu treten. Allerdings dauerte es bis ins 17. Jahrhundert, bis es vom Papier weitgehend verdrängt wurde. In der Folge spielte Pergament nur noch als Luxusschreibmaterial eine Rolle.
Verbreitung der Papierherstellung in Europa
1109 | Siziliens ältestes auf Papier geschriebenes Dokument. |
1151 | Missale von Silos – ältestes erhaltenes christliches Buch auf Papier. |
1225 | Frankreichs ältestes Papierdokument. |
1228 | Kaiser Friedrich II. sendet von Barletta die älteste auf deutschsprachigem Boden noch vorhandene Urkunde auf Papier an das Nonnenkloster Göss in Österreich. Das Mandat befindet sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. |
vor 1231 | Papierherstellung in Amalfi, Neapel, Sorrento. |
1231 | Für Urkunden verbietet Kaiser Friedrich II. die Verwendung von Papier im Königreich Sizilien, wegen der schlechteren Haltbarkeit gegenüber Vellum und Pergament. |
1236 | Laut den Statuten Paduas sind Urkunden auf Papier ohne Rechtskraft. |
1246 | Das in Lyon geschriebene Registerbuch des Passauer Domdekans Albert Behaim auf italienischem Papier ist die älteste in Deutschland erhaltene Papierhandschrift. |
1268 | In Italien wird Papier hergestellt. |
1282 | Erfindung des Wasserzeichens in Bologna |
1294 | Tierische Leimung wird eingeführt (Fabriano). |
Weitere grundlegende Innovationen in dieser Periode: Sensenblatt, Papierpresse, Drahtgeflechtsieb | |
1381 | Toscolano-Maderno in Italien. |
1390 | Deutschlands erste Papiermühle, die Gleismühl, wurde von Ulman Stromer in Nürnberg gegründet (siehe unten). |
ab 1393 | Weitere Papiermühlen in Deutschland folgten: 1393 Ravensburg, 1398 Chemnitz, 1407 Augsburg, 1415 Straßburg, 1420 Lübeck, 1460 Wartenfels, 1477 Kempten (Allgäu), 1478 Memmingen. Bis Ende des 16. Jahrhunderts gab es etwa 190 Papiermühlen in Deutschland. |
1411 | Papiermühle Marly, Marly FR in der Schweiz: Datierung ungesichert: Ersterwähnung 1474, in Betrieb bis 1921. |
seit 1432 | Papiermühlen im Gebiet der heutigen Schweiz: 1432 Belfaux bei Fribourg (bis 1515); 1433 Basel (bis 20. Jh.); 1445 Hauterive FR (bis 1515); um 1460/1466 bei Bern: Mühlen von Thal und Worblaufen (bis 1888 bzw. 1939); 1471 Zürich (Heinrich Walchweiler, Nachfolger ist die Dynastie Froschauer bis zur Zürcher Papierfabrik an der Sihl im 19./20. Jh.). – Weitere Papiermühlen entstehen nach 1500 und sind wenig erforscht. |
1469 | St. Pölten in Österreich |
1494 | Stevenage in England |
1541 | Der Papiermacher Hans Frey aus Altenberg (Mähren) erfindet den Glätthammer (Stampfhammer) zum mechanischen Glätten der Papierbogen. |
1573 | Klippan in Schweden |
1576 | Moskau in Russland |
1586 | Dordrecht in Holland |
1588 | Erste regelmäßige Zeitschrift Deutschlands erscheint in Köln die Meßrelation. |
um 1605 | Erste Zeitungen in Deutschland durch Johann Carolus. |
um 1670 | Erfindung des Holländers für die Herstellung von Papier. |
1690 | Germantown in Pennsylvania, USA durch den deutschen Papiermacher William Rittenhouse. |
Die erste deutsche Papiermühle entstand 1389/1390 bei Nürnberg. Gegründet wurde die Gleismühl vom Ratsherrn und Exportkaufmann Ulman Stromer. Stromer unternahm Geschäftsreisen, unter anderem auch in die Lombardei, und kam dort mit der Papierherstellung in Berührung. Stromer ließ Mitarbeiter und Erben einen Eid ablegen, die Kunst der Papierherstellung geheim zu halten. Die Gleismühl bestand aus zwei mit Wasserkraft angetriebenen Werkseinheiten. Die kleinere Mühle wies zwei Wasserräder auf, die größere verfügte über drei. Insgesamt wurden 18 Stampfen angetrieben.
1389 bis 1394 leitete Stromer selbst die Papiermühle und verpachtete sie dann gegen eine Pacht von „30 Ries gross Papier“ an Jörg Tirman, seinen Mitarbeiter. Die Schedelsche Weltchronik von 1493 zeigt sie als früheste Darstellung einer Papiermühle auf der Darstellung der Stadt Nürnberg. Die Gleismühle brannte später ab.
Ab 1393 ist die Papierherstellung in Ravensburg nachgewiesen. Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit entwickelte sich die oberschwäbischen Reichsstadt zum größten Papierherstellungszentrum im Südwesten. Für das 15. und 16. Jahrhundert wird die Produktion in bis zu sieben Papiermühlen auf etwa 9000 Ries (etwa 4,5 Millionen Blatt) jährlich geschätzt.
In Basel begann die Papierherstellung 1433 während des Konzils von Basel. Der Handelsmann und Bürger Heinrich Halbisen der Ältere (um 1390 bis 1451) errichtete in der Allenwinden-Mühle vor dem Riehentor eine Papiermühle, die mit Hilfe von italienischen Papiermachern bis 1451 betrieben worden ist. Unterdessen waren im linksrheinischen St. Albantal innerhalb der Stadtmauern, auf dem Gelände des Klosters St. Alban (Benediktiner des Cluniazenserordens) am Gewerbekanal (genannt St. Alban-Teich) weitere Papiermühlen in Betrieb genommen worden. Heinrich Halbisen der Jüngere (um 1420 bis um 1480) betrieb dort drei Mühlen bis um 1470. Seine Wasserzeichen sind das halbe Hufeisen, der Ochsenkopf und das gotische «p», sowie der Dreiberg mit Kreuz. Benachbart waren dort Anton Gallizian (um 1428–1497), ein Papiermacher, und seine zwei Brüder aus Casella im Piemont (bei Turin), welche die Klingental-Mühle kauften und 1453 zur Papiermühle umrüsteten. Ihr Wasserzeichen war das Antoniuskreuz über dem Ochsenkopf.
Dank der im Fernhandel jener Zeit gut vernetzten Basler Handelsgesellschaften verbreitete sich Basler Papier rasch in ganz Nordeuropa. Nachgewiesen ist im 15. Jahrhundert die Verwendung von Basler Papier unter anderem 1447 in Moskau, 1457 in Frankfurt am Main und Heidelberg, 1460 in Lübeck und Mainz, 1464 in Braunschweig und Köln, 1471 in Xanten, 1475 in Kopenhagen, Zürich, Innsbruck und Rostock, 1479 in Nürnberg und Venedig, 1481 in London, 1485 in Schlesien, 1487 in Königsberg. Umgekehrt wurde im ganzen 15. Jahrhundert in Basel auch Papier aus Italien und Frankreich verwendet.
Im 15. Jahrhundert bestanden in Basel 8 Papiermühlen, 2 vor dem Tor bei Riehen, sechs im St. Albantal. Unter den 18 Besitzern war eine Frau. Von den Papieren sind 38 mit Namen bekannt, darunter zwei Frauen.
Den Papierabsatz förderte in der Folge die Gründung der Universität Basel im Jahr 1460, ebenso der Buchdruck, der 1468 von Berthold Ruppel, einem Gesellen Gutenbergs, in Basel eingeführt wurde. Nun wurde Basel zu einem der Zentren des Humanismus nördlich der Alpen. In den historischen Mühlengebäuden im St. Albantal ist heute ein Museum für Papier, Schrift und Druck eingerichtet unter dem Namen Basler Papiermühle.
Östlich der Elbe entstanden die ersten Papiermühlen erst Mitte des 17. Jahrhunderts. Francois Feureton aus Grenoble gründete mit Unterstützung des Friedrich Wilhelm zunächst eine Papierfabrik in Burg und dann in Prenzlau.
Technische Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert in Europa
Die benötigten Zellstofffasern wurden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Hadern gewonnen, also aus Lumpen und abgenutzten Leinentextilien. Lumpensammler und -händler versorgten die Papiermühlen mit dem Rohstoff. Lumpen waren zeitweise so begehrt und rar, dass für sie ein Exportverbot bestand, das auch mit Waffengewalt durchgesetzt wurde. In den Papiermühlen wurden die Hadern in Fetzen geschnitten, manchmal gewaschen, einem Faulungsprozess unterzogen und schließlich in einem Stampfwerk zerfasert. Das Stampfwerk wurde mit Wasserkraft angetrieben.
Die Rohstoffaufbereitung erfolgte noch im 17. Jahrhundert in handwerklich organisierten Betrieben sowie teilweise in größeren Manufakturen mit einem höheren Grad der Arbeitsteilung. Im frühen 18. Jahrhundert wurden halbmechanische Lumpenschneider eingeführt, die zunächst nach dem „Fallbeilprinzip“ sowie später nach dem „Scherenprinzip“ arbeiteten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Übergang, statt des Faulens und Reinigens von Hadern, mit Chlor zu bleichen. Der Verlust an Fasern war so geringer, es konnten außerdem auch farbige Stoffe zu weißem Papier verarbeitet werden. Die typische Archivordnung in farbigen Aktendeckeln stammt beispielsweise noch aus der Zeit, als echt gefärbte blaue und rote Lumpen nur zu rosa oder hellblauem Papier verarbeitet werden konnten. Erst im 19. Jahrhundert kommen andersfarbige Aktendeckel (etwa gelb) hinzu.
Aus dem dünnen Papierbrei (Stoff) in der Bütte (= Bottich, daher der Name des Büttenpapiers) schöpfte der Papiermacher das Blatt mit Hilfe eines sehr feinmaschigen, flachen, rechteckigen Schöpfsiebes aus Kupfer von Hand. Das Schöpfsieb zeichnet sich durch einen abnehmbaren Rand, den Deckel, aus. Die Größe des Papierbogens wurde von der Größe des Siebes bestimmt. Nun drückte der Gautscher den frischen Bogen vom Sieb auf ein Filz ab, während der Schöpfer den nächsten Bogen schöpfte. Nach dem Gautschen wurden die Bögen in großen trockenen Räumen, vornehmlich auf Speichern und Dachböden, zum Trocknen aufgehängt. Anschließend wurde das Papier nochmals gepresst, geglättet, sortiert und verpackt (eine Pauscht entspricht 181 Bogen Papier). Handelte es sich um Schreibpapier, wurde es geleimt. Dazu wurde es in Leim getaucht, gepresst und getrocknet. Der Leim hindert die Tinte am Verlaufen. Bei Handarbeit, die nur bei Fasern – und somit Papier – hoher Qualität angewendet wird, nehmen die Fasern keine bevorzugte Richtung ein (Isotropie).
Der moderne technische Durchbruch begann sich mit der Erfindung des „Holländers“ um 1670 abzuzeichnen. Es handelt sich um eine Maschine, die den Faserbrei (Pulpe) nicht mehr durch reine Schlageinwirkung aufschließt, sondern durch eine kombinierte Schneid- und Schlageinwirkung. Der Holländer bot aufgrund der hohen Rotationsgeschwindigkeit einen schnelleren Faserdurchgang als das Stampfwerk. Somit stieg die Produktivität der Faseraufbereitung. Üblicherweise wurden Holländer anfangs dort eingesetzt, wo nur geringe Wasserkraft zur Verfügung stand (geringe Antriebsmomente, aber hohe Drehzahlen möglich) und/oder eine Feinzeugaufbereitung einem großen Stampfwerk nachgeschaltet werden sollte. Das Zeitverhältnis für 1 kg Ganzstoff liegt bei etwa 12:1 (Stampfzeit/Holländerzeit), wobei die schonende Stampfung eindeutig den besseren Halbstoff ergibt. Der Holländer wurde in deutschen Papiermühlen ab etwa 1710 umfassend eingesetzt. Durch den höheren möglichen Eintrag im Holländer (ca. 15 kg Stoff im Gegensatz zu 2–5 kg im Stampfwerk) und die geringere erforderliche Mannkapazität verbreitete sich das Gerät schnell. Der Holländer ist wartungsärmer als ein Stampfwerk, was sich bei den Reinvestitionskosten erheblich bemerkbar machte. Später wurden dann direkt aus dem Holländerprozess die ersten Stetigmahlerkonstruktionen (Jordan-Mühle Kegelstoffmühle, Scheibenrefiner) entwickelt.
Papiermacher
Ein Papiermacher ist ein Handwerker, der Papier herstellt. In der Gegenwart ist er in einer Papiermühle mit entsprechenden Produktionseinrichtungen (industrielle Papierfabrik) tätig. Seit dem Jahr 2005 heißt der Beruf nach der Klassifikation in Deutschland Papiertechnologe.
In der größten Zahl der Fälle hat jeder leitende Papiermüller ein Wasserzeichen verwendet, das allein für seine Wirkungszeit typisch war. Da die Papiermacher ein Beruf mit einer ausgeprägten Berufstradition innerhalb bestimmter Familien waren, ergänzen sich genealogische und Wasserzeichenforschung gegenseitig. Aus diesem Grunde ist das Deutsche Buch- und Schriftmuseum in der Deutschen Bücherei in Leipzig zugleich Standort einer Papiermacherkartei (siehe Verkartung), in der die Daten von über 8000 Papiermachern, Papiermühlenbesitzern, Lumpensammlern und Papierhändlern samt ihren Familien erfasst worden sind, und einer Kartei der Papiermühlen mit den Papiermachern, die jemals auf ihnen erwähnt worden sind.
Industrialisierung
Der Mangel an Lumpen, Hadern, die für die Papierherstellung notwendig waren, wurde zum Engpass der Papierherstellung. Deshalb wurde bereits um 1700 nach Alternativen für die Hadern gesucht.
Der französische Physiker René-Antoine Ferchault de Réaumur schrieb 1719 der französischen Akademie der Wissenschaften in Paris:
„Die amerikanischen Wespen bilden ein sehr feines Papier, ähnlich dem unsrigen. Sie lehren uns, dass es möglich ist, Papier aus Pflanzenfasern herzustellen, ohne Hadern oder Leinen zu brauchen; sie scheinen uns geradezu aufzufordern zu versuchen, ebenfalls ein feines und gutes Papier aus gewissen Hölzern herzustellen. Wenn wir Holzarten ähnlich denen besäßen, welche die amerikanischen Wespen zu ihrer Papierherstellung benutzen, so könnten wir das weißeste Papier herstellen.“
Einen skurril anmutenden Beitrag lieferte der Arzt Franz Ernst Brückmann zu Wolfenbüttel, der sich vornehmlich mit „Erdgewächsen und Mineralien“ befasste. Entsprechend schlug er zur Lösung des Rohstoffproblems Asbestpapier vor und ließ 1727 zu Braunschweig einige Exemplare seines Werkes „Historiam naturalem curiosam lapidis …“ oder kurz „Historia naturalis de asbesto“ auf Asbestpapier abdrucken. Das Buch enthielt auf diesen unverbrennlichen Bogen auch sein eigenes Bildnis – um „unsterblich“ zu werden.
Frühe und zukunftsweisende Versuche, und sogleich in gewerbsmäßiger Größenordnung, wurden durch den vielseitig genialen braunschweigischen Oberjägermeister Johann Georg von Langen unternommen, denn im Juni 1753 – unter Verweis auf ältere Berichte – gibt er Rechenschaft gegenüber seinem Landesherrn (Carl I.) ab über eine am „Holzminder Bach erbauete Reibe-Mühle, mit Vorstellung des Gebrauchs, so künftig von solcher Mühle zu machen“. Auf dieser Mühle „Porcellain-Masse“ zu mahlen hatte sich gerade zerschlagen, weshalb v. Langen vorschlug, es könne „diese Mühle mit wenig Kosten mit zu Verfertigung des Pack- und anderen Papiers, so aus Holtz gemacht wird, gebrauchet werden.“ Entsprechend hielt er um die herzogliche Konzessionierung an und vermerkte, dass sich „solche (‚Holtz-Papier-Mühle‘) durch Verfertigung einer so gemein nützigen Kauffmanns Waare nicht allein verinteressieren“ würde (wegen der Neuartigkeit dieser Technologie), sondern mit der Zeit völlig bezahlt machen würde. Denn er habe „eine neue Art Papier von Holtz Materie erfunden“, so dass um 1760/61 die Aussicht bestand, der Lumpenbedarf werde mit der Zeit spürbar vermindert werden können. Weiteres steht hier leider noch aus. Von Langen hatte sich durchaus auch mit anderen vegetabilischen Stoffen wie 1756 etwa der Verwendung von „Rohr zum Packpapier“ befasst.
Doch umfassendere Experimente führte Jacob Christian Schäffer durch, um Papier aus Pflanzenfasern oder Holz zu gewinnen; dies beschrieb er in sechs Bänden „Versuche und Muster, ohne alle Lumpen oder doch mit einem geringen Zusätze derselben, Papier zu machen“ zwischen 1765 und 1771. Seine Verfahren zur Papierherstellung aus Pappelwolle, Moos, Flechten, Hopfen, Weinreben, Disteln, Feldmelde Atriplex campestris, Beifuß, Mais, Brennnesseln, Aloe, Stroh, Rohrkolben, Blaukohlstrunken, Graswolle, Maiglöckchen, Seidenpflanzen, Ginster, Hanfschäben, Kartoffelpflanzen, Torf, Waldreben, Tannenzapfen, Weiden- und Espenholz sowie Sägespänen und Dachschindeln ergaben aber kein qualitativ gutes Papier und wurden deshalb von den Papiermüllern nicht verwendet.
Gleichwohl, inspiriert durch die Schäfferschen Versuche, fanden diese im braunschweigischen Räbke bei Helmstedt ihre Neuauflage. Hier wurden im Jahre 1767, unter Anleitung des braunschweigischen Professors Justus Friedrich Wilhelm Zachariae, Experimente mit anderen „vegetabilischen“ Stoffen als den bisher unentbehrlichen weißen Leinen-Lumpen vorgenommen. Dabei wurden von Fachleuten (Papierfabrikanten) Erprobungen mit durchaus aussichtsreichen Materialien wie der Wilden Karde (Weberdistel), Flachs, Hanf, Baumwolle und schließlich gar mit „Pappelweide“ bzw. dem „gemeinen Weidenbaum“ durchgeführt, also auch mit zukunftsweisenden Holzarten.
- 1756 In den zu Preußen gehörenden Ländern wird das Lumpenausfuhrverbot erlassen und die Mitführung eines Lumpenpasses durch die Lumpensammler vorgeschrieben.
- 1774 Die Verwendung von Altpapier als Rohstoff für neues wird durch die Publikation des Göttinger Professor Justus Claproth „Eine Erfindung, aus gedrucktem Papier wiederum neues zu machen und die Druckfarbe völlig auszuwaschen“ eingeleitet. (Deinking-Verfahren)
- 1784 Der französische Chemiker Claude Louis Graf Berthellet wendet bei der Papierherstellung die Chlorbleiche an.
- 1798 erhielt der Franzose Nicholas-Louis Robert ein Patent auf eine Längssiebmaschine, die eine maschinelle Fabrikation des Papiers ermöglichte. Bei dieser Papierschüttelmaschine wurde das Schöpfen des Papierbreis durch dessen Aufgießen auf ein rotierendes Metallsieb ersetzt.
- 1804 Der Engländer Bryan Donkin vervollkommnet die Langsieb-Papiermaschine.
- 1805 Die erste Rundsiebmaschine wird auf den englischen Mechaniker Joseph Bramah patentiert.
- 1806 Die Harzleimung des Papiers bereits im Papierbrei, also im Herstellungsprozess, wird vom Uhrmacher Moritz Friedrich Illig aus Erbach im Odenwald erfunden.
- 1820 Der Engländer Th. B. Crompton meldet Patent zur Trocknung der Papierbahn.
Friedrich Gottlob Keller erfand Anfang Dezember 1843 das Verfahren zur Herstellung von Papier aus Holzschliff, wobei er auf einem Schleifstein Holz in Faserquerrichtung mit Wasser zu Holzschliff verarbeitete, der zur Herstellung von qualitativ gutem Papier geeignet war. Er verfeinerte das Verfahren bis zum Sommer 1846 durch die Konstruktion von drei Holzschleifermaschinen. Am 11. Oktober 1845 ließ er eine Reihe von Exemplaren der „Nummer 41“ des Intelligenz- und Wochenblattes für Frankenberg mit Sachsenburg und Umgebung auf seinem Holzschliffpapier drucken.
Die industrielle Auswertung seiner Erfindung blieb Friedrich Gottlob Keller versagt, weil ihm die Geldmittel zur technischen Erprobung fehlten und die Patentierung des Verfahrens vom Sächsischen Ministerium des Inneren verweigert wurden. So übertrug er am 20. Juni 1846 die Rechte zur Nutzung des Verfahrens gegen ein geringes Entgelt an den vermögenden Papierfabrikanten Heinrich Voelter, der das Kellersche Holzschliffverfahren weiterentwickelte, in die Praxis einführte und durch die Entwicklung von Hilfsmaschinen zur großtechnischen Nutzung brachte. Ab 1848 arbeitete Voelter mit dem Heidenheimer Papierfabrikanten Johann Matthäus Voith zusammen mit dem Ziel, Papier zur Massenware zu machen. Voith entwickelte das Verfahren weiter und erfand im Jahr 1859 den Raffineur, eine Maschine, die das splitterreiche Grobmaterial des Holzschliffs verfeinert und dadurch eine deutliche Verbesserung der Papierqualität herbeiführt.
Seit etwa 1850 wurde der Holzschleifer eingesetzt, mit dem die Papierherstellung aus dem preiswerten Rohstoff Holz im industriellen Maßstab möglich wurde; um 1879 arbeiteten allein in Deutschland rund 340 solcher Holzschleifereien. Die größte Rohstoffnot wurde durch den Einsatz von Holzschliff zwar gemildert, auf Hadern konnte jedoch nicht zur Gänze verzichtet werden.
Die älteste erhaltene Holzschleiferei ist die Kartonfabrik von Verla in Finnland, die 1882 erbaut wurde. Die 1964 stillgelegte Fabrikanlage wurde 1996 in das Verzeichnis des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Die Holzschliffpapiere erwiesen sich wegen der in der Schliffmasse enthaltenen Restanteile verschiedener saurer Substanzen als problematisch. Diese Säureanteile stammen aus dem chemischen Aufschlussprozess, der für die Behandlung des zerfaserten Holzstoffes (Lignocellulose) im industriell verbreiteten Sulfitverfahren zwangsläufig benötigt wird. Aus der Schwefligen Säure und ihren Salzen entstehen durch Luftoxidation und Hydrolyse reaktionsrelevante Mengen an Schwefelsäure. Durch die anhaltende Luft- und Luftfeuchteeinwirkung bilden sich weiterhin organische, chemisch sehr aktive Substanzen im Papier. Andere Aufschlussverfahren arbeiten mit Chlorverbindungen und Essigsäure. Diese komplexen Wirkungsmechanismen führen zur Vergilbung sowie zu einer erheblichen Verringerung der Reißfestigkeit, Nassfestigkeit und Biegesteifigkeit im Endprodukt, was sich als „Brüchigkeit“ des Papieres bemerkbar macht. Die verringerte Stabilität im Papier ist eine Folge der durch Säure katalysierten Spaltung des Cellulosemoleküls, die in Form einer fortschreitenden Kettenverkürzung abläuft. Hauptursache für das Vergilben des Holzschliffpapiers sind das Lignin und seine hierbei entstehenden Zersetzungsprodukte (überwiegend aromatische Verbindungen).
Häufig wird das Holzschliffpapier fälschlicherweise mit säurehaltigem Papier gleichgesetzt. Das säurehaltige Papier ist eine Folge des Herstellungsprozesses und einiger chemischer Zusätze seiner Leimung. Holzschliffpapier vergilbt besonders stark und verliert schnell seine Elastizität. Billiger Holzschliff und die 1806 erfundene Leimung mit verseiften Harzen wurden massenhaft eingesetzt, so dass insbesondere Papiererzeugnisse (Bücher, Graphiken, Zeitungen, Landkarten) seit der Erfindung der Holzschlifftechnologie durch Friedrich Gottlob Keller nach 1846 und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund beider Ursachen in besonderer Weise den inneren Schadwirkungen unterliegen. Die Restaurierung ist kompliziert und bei hohen Zerfallsraten der Zellulose nur noch durch Massenentsäuerung und nachträgliche Stabilisierungsverfahren wie durch das Papierspaltverfahren möglich.
So hat das Holzschliffpapier nicht nur einen Nutzen für die kostengünstige Herstellung von Papier gebracht, sondern auch einen großen Schaden für die schriftliche Überlieferung des 19. und 20. Jahrhunderts.
- 1850 Erfindung der Kegelstoffmühle (Jordan-Mühle).
- 1854–1857 Die Engländer Watt, Burgess und Houghton stellen mittels Natronverfahren Holzzellstoff her.
- 1866–1878 Der Amerikaner Benjamin Chew Tilghman und der Deutsche Alexander Mitscherlich entwickeln auf der Grundlage des Ritter-Kellner-Verfahrens den Sulfitzellstoff durch den chemischen Aufschluss von Holz.
- um 1870 Stroh als Rohstoff für Papier kann gebleicht werden.
- 1872 Der Braunschliff von Papier, 1869 von Moritz Behrend (Varzin, Pommern), erfunden, wird vom Papiermacher Oswald Mayh in Zwickau eingeführt. Bereits zur Wiener Weltausstellung 1873 wurde das System erfolgreich präsentiert.
- 1872 Die preußischen Länder heben das Lumpenausfuhrverbot auf.
- 1884 Erfindung des Sulfat-Zellstoff-Verfahrens durch C. F. Dahl.
- 1909 William H. Millspaugh erfindet die Saugwalze.
- 1919 Die ersten Papiere aus halbsynthetischen Fasern (regenerierte Cellulose) werden durch F. H. Osborne gefertigt.
- 1921 Beginn der Chlordioxid-Bleiche.
- 1945 Kontinuierliche Stoffaufbereitung (Pulper und Refiner verdrängen Kollergang und Holländer).
- 1948 Erste Magnesiumbisulfit-Anlage mit Chemikalienrückgewinnung.
- 1955 Das erste Papier aus vollsynthetischen Fasern (Polyamid) wird durch J. K. Hubbard hergestellt.
- ab 1980 Entwicklung der chlorfreien Bleiche
Seit den 1980er Jahren wird für den Druck hochwertiger Publikationen und Grafiken überwiegend ein „alterungsbeständiges Papier“ oder „säurefreies Papier“ verwendet. Dieses ist durch geeignete chemische Zusätze frei von freien Säuren und freien Chloriden und wird in der DIN EN ISO 9706 genormt.
Quelle: Wikipedia